Das Holstentor Lübeck – Symbol der Geschichte und Wahrzeichen der Stadt


Das Holstentor wurde in den Jahren 1464-1478 vom Stadtbaumeister Hinrich Helmstede nach niederländischen Vorbildern errichtet und diente von Anfang an nicht nur der Verteidigung, sondern auch der Repräsentation. Bei dem Gebäude handelt es sich um eine von zwei mächtigen Rundtürmen gebildete Doppelturmanlage mit schiefergedeckten Kegeldächern, deren Mitte ein Zwischentrakt bildet, in dem sich das rundbogige Durchgangstor befindet, durch den einst einer der Zugänge zur Stadt führte.
Es ist das stolze Symbol der Geschichte Lübecks als reichsfreie Stadt und ihrer Vormachtstellung im Ostseeraum - und ein Inbegriff aller Vorstellungen von Hanse, Handel, Macht und Reichtum, mithin von allem, was die historische Bedeutung Lübecks ausmacht.
Das Holstentor besitzt zwei verschiedene Ansichten: die stadtauswärts gerichtete Feldseite und die nach innen gerichtete Stadtseite. Beide Seiten hatten unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen und sind deshalb gemäß ihrer Funktion unterschiedlich gestaltet.
Die Feldseite
Nach außen hin gibt sich das Holstentor trutzig und wehrhaft. Seinen monumentalen Eindruck bewirken vor allem die beiden gewaltigen, gegenüber dem Mittelbau um 3,50 Meter vorspringenden Türme. Die Feldseite besitzt angesichts der erwarteten Gefechtssituationen kaum Öffnungen. Die auf dieser Seite 3,50 Metern dicken Mauern sind lediglich von Schießscharten und nur wenigen kleinen Fenstern durchsetzt.

Die Stadtseite
Insgesamt
ist die Stadtseite, deren Mauern wesentlich dünner sind als die der
Feldseite (unter 1 Meter), künstlerisch stärker durchgebildet als
die der Verteidigung dienende Seite.
Die der Stadt zugewandte
Fassade ist weitaus filigraner und präsentiert sich im Vergleich zur
Wehrseite freundlicher. Die repräsentative Stadtansicht schließt
die beiden Türme und den Mittelbau zu einer einheitlichen Fassade
bündig zusammen.
(Quelle: Holstentor-Museum)
Der Durchgang und die Inschriften
Der Durchgang war früher zur Feldseite mit zwei Torflügeln versehen, die nicht erhalten sind. Ein "Fallgatter" wurde erst 1934 angebracht und entspricht nicht den ursprünglichen Sicherungsanlagen. An dieser Stelle befand sich einst ein so genanntes Orgelwerk, bei dem die Eisenstangen einzeln und nicht als Ganzes heruntergelassen wurden. So war es möglich, alle Stangen bis auf eine oder zwei bereits zu senken und dann abzuwarten, um den eigenen Männern noch ein Hindurchkommen zu ermöglichen oder durch die Verengung des Durchganges ein Einfallen feindlicher Kavallerie oder Fahrzeuge unter geringstem Aufwand zu verhindern. Über dem Durchgang ist auf der Stadt- wie auf der Feldseite je eine Inschrift angebracht.
Auf der Stadtseite lautet die Inschrift S.P.Q.L., eingerahmt von den Jahreszahlen 1477 und 1871; ersteres war das vermeintliche Datum der Erbauung (korrektes Datum ist allerdings, wie man inzwischen weiß, 1478), letzteres das Datum der Restaurierung sowie der Gründung des Deutschen Reiches. Diese Inschrift hatte das römische S.P.Q.R. (lateinisch Senatus populusque Romanus - Senat und Volk Roms) zum Vorbild und sollte entsprechend für Senatus populusque Lubecensis stehen. Sie wurde allerdings erst 1871 angebracht. Vorher gab es an dieser Stelle keine Inschrift. Sie hätte auch wenig Sinn ergeben, da der Blick auf die unteren Bereiche des Holstentors von der Stadtseite aus durch hohe Mauern versperrt war.
Eine andere Inschrift befindet sich auf der Feldseite. Dort steht Concordia domi foris pax ("Eintracht innen, draußen Friede"). Auch dieser Schriftzug stammt von 1871 und ist eine verkürzte Form der Inschrift, die zuvor auf dem (nicht erhaltenen) Vortor gestanden hatte: Concordia domi et foris pax sane res est omnium pulcherrima ("Eintracht innen und Friede draußen sind in der Tat für alle am besten", siehe Äußeres Holstentor).

Befestigungen der Feldseite
Funktionsgemäß sind die Feld- und die Stadtseite sehr unterschiedlich gestaltet. Während die Stadtseite reich mit Fenstern geschmückt ist, wäre eine solche Ausstattung zur Feldseite angesichts der erwarteten Gefechtssituationen unpassend gewesen. Zur Feldseite zeigen daher nur wenige kleine Fenster. Außerdem ist das Mauerwerk von Schießscharten durchsetzt. Auch sind die Mauern zur Feldseite mit 3,5 Metern dicker als zur Stadtseite (dort unter 1 Meter). Möglicherweise war auch geplant, das Tor von der Stadtseite im Notfall schnell zu zerstören, damit es einem Feind nicht in die Hände fiele.
Zur Feldseite zeigen die Schießscharten sowie die Öffnungen der Geschützkammern. In jedem Turm befanden sich im Erdgeschoss, im ersten und im zweiten Obergeschoss je drei Geschützkammern. Diese sind im Erdgeschoss nicht erhalten. Da das Bauwerk im Laufe der Jahrhunderte im Erdboden eingesunken ist, liegen sie mittlerweile 50 Zentimeter unter dem Erdboden und noch unterhalb des neuen Fußbodens. Im ersten Obergeschoss gibt es zusätzlich zu den erwähnten Kammern noch zwei Schießscharten für kleinere Geschütze, die über und zwischen den drei genannten Kammern lagen. Kleinere Öffnungen gibt es auch im dritten Obergeschoss, wo für Handfeuerwaffen nach vorne und nach unten weisende Scharten eingelassen sind.
Der Mittelbau hat keine Schießscharten. Die über dem Durchgang liegenden Fenster waren auch dazu ausgerichtet, einen eindringenden Feind mit Pech oder kochendem Wasser zu übergießen.
Materialien und Verzierungen
Die auffälligsten nicht unter praktischen Gesichtspunkten angebrachten Ausschmückungen sind die zwei so genannten Terrakottabänder, die rund um das Gebäude laufen. Diese bestehen aus einzelnen Platten, die meist quadratisch sind und eine Kantenlänge von 55 Zentimetern haben. Auf den einzelnen Platten ist jeweils eines von drei unterschiedlichen Ornamenten zu sehen: eine Anordnung vierer heraldischer Lilien, ein symmetrisches Gitter und eine Darstellung von vier Distelblättern. Es gibt keine erkennbare Reihenfolge dieser immer wiederkehrenden Symbole, jedoch folgt stets nach acht Platten eine anders gestaltete Platte. Diese hat die Form eines Wappenschildes und trägt entweder den Lübschen Wappenadler oder einen stilisierten Baum. Diese Schilde sind von zwei Männerfiguren als Wappenträgern eingerahmt.

Die Terrakottabänder sind während der Restaurierung zwischen 1865 und 1870 wiederhergestellt worden. Nur drei der ursprünglichen Platten sind als Museumsexemplare erhalten. Die neuen Platten geben die einstigen Motive ungefähr wieder, wenn man sich auch bei der Restaurierung viel Freiheit erlaubt hat. So ist zum Beispiel bei der Gestaltung des Wappenadlers das Ursprungsmotiv keineswegs exakt wiedergegeben.
Der Giebel wurde bei der Restaurierung ebenfalls nicht originalgetreu gestaltet; hier trifft die Restauratoren aber keine Schuld, denn im 19. Jahrhundert war der Giebel längst nicht mehr erhalten und dessen ursprüngliches Erscheinungsbild unbekannt. Eine alte Darstellung auf einem Altarbild des Lübschen Burgklosters zeigt ein Holstentor mit fünf Giebeltürmen; da in diesem Bild das Holstentor allerdings inmitten einer Phantasielandschaft aus Bergen und Wäldern steht, ist die Glaubwürdigkeit der Darstellung umstritten. Heute sitzen dem Giebel drei Türme auf, die aber nur von der Stadtseite zu sehen sind.
Das Innere
Die Innenräume der Türme sind gleichartig gestaltet. Erdgeschoss und das erste Obergeschoss haben die höchsten Decken, während die darüber liegenden Stockwerke deutlich niedriger sind. Zwei enge Wendeltreppen winden sich aufwärts, und zwar jeweils zwischen dem Mittelbau und dem angrenzenden Turm. Gänge verbinden in jedem Geschoss den Raum des Mittelbaus mit den auf gleicher Höhe liegenden Räumen der Türme. Heute ist im Nordturm die Decke des zweiten Obergeschosses herausgebrochen, sodass zweites und drittes Obergeschoss hier einen gemeinsamen Raum bilden. Diese Umgestaltung war 1934 vorgenommen worden und entspricht nicht der ursprünglichen Anlage.
Vor den Schießscharten liegen die Geschützkammern. Im zweiten Obergeschoss findet man heute noch Kanonen in den Kammern, die allerdings nachträglich hier ausgestellt wurden und keine Originale sind. Über den Geschützkammern befinden sich Haken, von denen Ketten mit den Kanonen verbunden waren, um deren Rückstoß abzufedern. Die oberen Geschützkammern des ersten Obergeschosses waren nur über Leitern zu erreichen.

Grünanlage mit Lübecker Löwen
Das Innere des Holstentorplatzes ist eine langgestreckte Grünanlage, die von Harry Maasz angelegt wurde. An der westlichen, dem Holstentor gegenüberliegenden Schmalseite der Grünanlage sind zwei monumentale Lübecker Löwen aus Eisenguss aufgestellt. Die liegenden Löwen von 1823 sind unsigniert, sie werden Christian Daniel Rauch zugeschrieben und entstanden möglicherweise unter Mitwirkung von Rauchs Werkstattmitarbeiter Theodor Kalide. Einer der beiden Löwen schläft, der andere richtet seinen Blick aufmerksam auf den schlafenden Löwen. Ursprünglich befanden sich die Lübecker Löwen seit 1840 vor dem Wohnhaus des Kaufmanns und Kunstsammlers Johann Daniel Jacobj (1798-1847) in der Großen Petersgrube 19. Seit 1873 standen die beiden Löwen vor dem Hotel Stadt Hamburg in Lübeck am Klingenberg, bis dieses im Zweiten Weltkrieg 1942 zerstört wurde. Erst später wurden die Löwen vor dem Holstentor aufgestellt.

Restaurierung 1863-71
1855 gab es eine Eingabe lübscher Bürger an den Senat, endlich das verbliebene Tor abzureißen, da es einem Ausbau der Bahnanlagen im Wege stehe. 683 Unterschriften stützten diese Eingabe.
Allerdings gab es in jener Zeit auch Widerstände gegen die Zerstörung der alten Bausubstanz. So schrieb 1852 August Reichensperger: "Selbst Lübeck, einst das stolze Haupt der Hanse, scheint den Abglanz seiner früheren Herrlichkeit nicht ertragen zu können. Es verstümmelt, beschneidet und übertüncht so unverdrossen, daß die 'moderne Aufklärung' sich bald seiner nicht mehr zu schämen haben wird."
Als König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen davon hörte, entsandte er den damaligen Konservator für Kunstdenkmäler im Königreich Preußen, Ferdinand von Quast, um "zu retten was zu retten ist".
Der Streit um den Abbruch zog sich lange hin. Erst 1863 kam es zu einer Entscheidung, in der die Lübecker Bürgerschaft mit nur einer Stimme Mehrheit beschloss, das Gebäude nicht abzureißen und stattdessen umfassend zu restaurieren. Inzwischen war das Tor in einem sehr schlechten Zustand, da es jedes Jahr einige Zentimeter im Erdboden versank. Die tiefsten Schießscharten befanden sich bereits 50 Zentimeter unter dem Erdboden, und die Neigung des gesamten Tores nahm gefährliche Ausmaße an. Dadurch veränderte sich die Statik des Gebäudes drastisch, sodass man den Einsturz befürchtete.
Bis ins Jahr 1871 wurde das Holstentor von Grund auf restauriert. Hiernach änderte sich die Beziehung der Lübecker zum Holstentor. Es wurde nicht mehr als lästige Ruine wahrgenommen, sondern als Erkennungszeichen einer stolzen Vergangenheit. Im 20. Jahrhundert integrierten lübsche Firmen und der Deutsche Städtetag das Holstentor in ihre Signets.

Restaurierung 1933/34
Da sich die Neigung der Türme fortsetzte und ein Einsturz letztlich noch immer nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde eine zweite Restaurierung erforderlich. Zu dieser kam es in den Jahren 1933/34, in denen das Holstentor derart befestigt wurde, dass es endlich sicher stand. Bei dieser Restaurierung wurden Stahlbetonanker zur Sicherung der Türme eingesetzt, die von eisernen Ringen umgeben wurden. Es wurden aber auch Umgestaltungen vorgenommen, die nicht dem ursprünglichen Charakter des Tores entsprachen, unter anderem die erwähnte Zusammenlegung der Geschosse des Nordturms.
Die Nationalsozialisten machten das Holstentor zum Museum. Dieses wurde "Ruhmes- und Ehrenhalle" genannt und sollte lübsche und deutsche Geschichte aus Sicht der nationalsozialistischen Ideologie darstellen.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden - bauhistorisch heute nicht mehr vollständig nachvollziehbar - kleinere Ausbesserungsarbeiten am Holstentor durchgeführt.
Restaurierung 2005/06
Von März 2005 bis Dezember 2006 wurde das Holstentor erneut restauriert. Die Restaurierungskosten wurden auf etwa eine Million Euro geschätzt, wobei eine Summe von 498.000 Euro (ursprünglich geplante Kosten) von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Possehl-Stiftung aufgebracht wurde. Der Rest der Kosten wurde hauptsächlich über Spenden von Privatpersonen, Firmen und wissenschaftlichen Einrichtungen übernommen.
Wenige Tage nach dem Gerüstaufbau wurde ein 1934 angebrachtes Hakenkreuz von Unbekannten herausgeschnitten und mitgenommen. Es galt als letztes an einem öffentlichen Gebäude in Deutschland und sollte im Laufe der Arbeiten mit einem Blech überdeckt werden. Anstelle des gestohlenen Hakenkreuzes wurde eine Platte mit der Jahreszahl 2006 zur Erinnerung an den Abschluss der Restaurierungsarbeiten angebracht.
Während der Arbeiten war das Tor aus Sicherheitsgründen mit einer Gerüstplane verhüllt. Auf der bedruckten Plane war das Aussehen des Tores vor dem Beginn der Arbeiten in hoher Auflösung abgebildet. Am 2. Dezember 2006 wurde das Holstentor im Rahmen einer Lichtershow des Künstlers Michael Batz der Bevölkerung wieder zugänglich gemacht. (Quelle: wikipedia)